Grimme Online Award 2011

Neusprechblog

Screenshot "Neusprechblog"

Der Name „neusprech” ist George Orwells Roman „1984” entnommen und damit Programm. Ob „Stresstest”, „Biosprit” oder „Schutzlücke”: Seit Frühjahr 2010 beobachten Martin Haase und Kai Biermann in ihrem Blog die Sprache von Politik und öffentlichen Debatten. Sie hinterfragen die verwendeten Begriffe, beleuchten sprachliche Hintergründe oder Wortverdrehungen und entlarven ideologische oder interessengeleitete Implikationen. Was in der Regel als selbstverständlich hingenommen wird, offenbart so bei genauerem Hinsehen ganz neue Dimensionen.

Gesamtverantwortung: Kai Biermann, Martin Haase

Technik: Christian Heise

Internetadresse: neusprech.org

Begründung der Jury

Bestimmte Begriffegaukeln einen klaren Sachverhalt vor, verschleiern aber im Grunde nur. „Sicherheitszone” ist so ein Begriff – eigentlich eine Zone der Unsicherheit. Oder „Stromveredelung” –bei dem nichts veredelt, sondern nur zwischengespeichert wird.

Gemein ist diesen Begriffen, dass sie in der Tagespolitik und im politischen Diskurs Hochkonjunktur haben, dass man sie überall liest und hört – besonders aus Politikermündern.  Ihre zu Grunde liegende Bedeutung wird aber kaum refl ektiert. Es soll gar nicht bewusst werden – und wird es auch nicht –dass hier durch Sprache manipuliert und Wahrheit verschleiert wird. Den Bedeutungen dieser sprachlichen Tarnversuche versucht das „Neusprechblog” auf die Spur zu kommen und hilft dabei dem Denken auf die Sprünge: Es entlarvt die Bedeutung der Nicht-Begriffe, und beschreibt kurzweilig die Absichten, die hinter der „Um-Larvung” stehen mögen. Die Autoren, Martin Haase, Professor für Linguistik, und Kai Biermann, Psychologe und Journalist, denken für uns viel über Sprache nach.

Nicht nur über die Semantik, sondern vor allem über die politische und wirtschaftliche Pragmatik der Sprache. Daher ist das „Neusprechblog” nicht nur ein Angebot für Sprachfetischisten, sondern für den politischen Menschen, also für uns alle. Auch wenn ein Stichwortverzeichnis noch fehlt, entsteht hier doch ein Lexikon der „Un-Begriffe”, in das jeder regelmäßig reinschauen sollte, um interessengesteuerte Sprachvernebelung aufdecken zu können.

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