Grimme Online Award 2004

Statement der Jury

Die Jury des Grimme Online Award hat Vorbilder gesucht. Webangebote, die wegweisend für die weitere Entwicklung des Internet sein können. Eine lohnenswerte Suche: Mal hat die Leistung eines Einzelnen überzeugt, manchmal das Ergebnis, an dem Viele mitgeholfen haben. Mal war es mehr der Inhalt, mal die mutige Verwendung neuer technischer Möglichkeiten und oft die gelungene Verbindung.Die Technik tritt 2004 weniger eitel auf. Technik dient den Inhalten – immer öfter bemerkt man sie nicht einmal mehr. Ein Zeichen, dass das Medium gereift ist und aus den eigenen Fehlern gelernt hat. Und wichtiger noch: Qualität wird immer mehr von den Inhalten bestimmt und nicht vom neuesten Plug-in.

Kontinuität ist im schnelllebigen Internet eine Tugend. Es kann zwar kein Preis vergeben werden für Angebote, die seit Jahren zuverlässig die Surfer begleiten. Aber eine ausdrückliche lobende Erwähnung sind sie wert. GZSZ, tagesschau.de, Telepolis und heute.de fallen dabei ein. In der Zeit des Internethypes fiel der Blick meist nur auf das Allerneueste im Netz. Übersehen wurde, dass Nutzer auch nach Bewährtem suchen.

Das duale Rundfunksystem hat im Internet im abgelaufenen Grimme-Jahr seinen eigenen Ausdruck gefunden: Die öffentlich-rechtlichen Sender besitzen in der Breite hochwertige Angebote. Leider scheint dieses bei den privaten Sendern unter dem Druck der Geschäftsmodelle seltener zu werden. Waren es noch vor zwei Jahren häufiger gerade deren innovative Angebote und Sites die auffielen und nominiert wurden, so zeigen sich, wie schon letztes Jahr, auch jetzt zunehmend weniger herausragende Angebote der privaten Sender. Wunsch der Jury für die Zukunft – bitte wieder eine Trendwende!Die drei Preiskategorien definieren Grenzen. Die Grenzen sind schwer zu ziehen, da es keine tradierte Verspartung gibt wie im Fernsehen. Die Jury hat jenseits der Grenzen vier wichtige Trends ausgemacht, die in Zukunft entweder ein- oder deutlicher ausgeschlossen werden müssen. Es ist dies übrigens nicht etwa eine Schwäche der Ausschreibung, sondern eine der Stärken des Mediums Internet, sich immer wieder neue Territorien und Grenzen zu erschaffen.

Blogs sind das Thema dieses Frühlings und werden sich voraussehbar noch stärker ausbreiten. Im Jahr 2005 sollten sie einbezogen werden.Medienkunst mit ihren individualistischen Ansätzen scheint sich auch weiter als Ausdrucksform im Internet zu festigen. Ob jedoch der Grimme Preis für eine Würdigung eignet, erschien der Jury fraglich.Kein Wort fiel in der Jurysitzung so oft wie „Wikipedia“. Kollaborative und partizipatorische Angebote könnten schon bald frühe Versprechungen des Internet einlösen. Dieses Jahr fehlte der Jury die Möglichkeit, hier einen Preis zu verleihen.Serviceangebote sind oft der meistgenutzte Teil innerhalb von journalistischen Angeboten. Komplexe Datenbanken wie das Film-Lexikon müssen so aufbereitet sein, dass sie über Oberfläche einfach zu bedienen sind. Intelligente elektronische Fernsehprogramm-Guides (EPGs) sind nur ein Beispiel dafür, was die Jury gerne auszeichnen möchte.

Ermutigt werden sollen jene Anbieter, die etwas wagen. Die Innovationen haben sich oft an den Rand verlagert und finden sich viel zu selten bei den großen, finanziell solide ausgestatteten Anbietern. Auffällig war, dass durch die großen „Content Management Systeme“ festere und zuverlässigere Formen vorgegeben werden – vor allem die Navigation hat ihre desorientierende Zufälligkeit verloren. Gerade die grossen Anbieter brauchen aber jetzt den Mut, die feste Form für herausragende Themen zu durchbrechen. „Stauffenberg“ ist ein Beispiel, dass das möglich ist.