Wieder haben Jury und Publikum entschieden: Wer sind die Besten im Netz? Wer darf eine der begehrten Trophäen mit nach Hause nehmen? Am 30. Juni fand in der Kölner Flora die Preisverleihung des Grimme Online Award statt, moderiert von Jeannine Michaelsen, musikalisch begleitet von der Band Woman und immer wieder unterbrochen von großem Jubel der rund dreihundert Gäste: Es war ein Fest für Qualität im Netz und manchmal Emotion pur.
Die Direktorin des Grimme-Instituts, Dr. Frauke Gerlach: "Ich bin beeindruckt von der Weiterentwicklung des digitalen Erzählens, gerade auch durch den Einsatz von 360°- und Virtual-Reality-Elementen. Mit diesen technischen Möglichkeiten erhalten wir eine neue Dimension für Dokumentationen und Reportagen. Der Zuschauer wird aus der Führung der Kamera befreit und kann seine Perspektive selbst auswählen." Zugleich merkte sie an, dass die Arbeit der Nominierungskommission und Jury dadurch nicht einfacher werde: "Unsere Gremien brauchen mehr Zeit zur Prüfung, weshalb wir das Ende der Einreichungsfrist im kommenden Jahr auf den 1. März vorziehen." Alle Online-Anbieter, die am Grimme Online Award 2018 teilnehmen möchten, sollten sich diesen Termin schon mal vormerken.
Nun aber erstmal wieder zum Jahr 2017, zurück ins hier und jetzt: Während der Wahlkampf für die Bundestagswahl gerade erst anläuft, ist die Regierungsbildung nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bereits abgeschlossen - mit der Vereidigung der politischen Entscheidungsträger am Morgen. Zu eben dieser Wahl bot der "WDR-Kandidatencheck" eine "echte Orientierung und willkommene Hilfestellung zur Meinungsbildung", wie die Jury feststellt. Fast 1000 Interviews mit Kandidatinnen und Kandidaten aller Parteien hat ein Team des WDR geführt und online gestellt - mit immer gleichen Fragen und in immer gleicher Länge. Nicht nur eine organisatorische Meisterleistung, wie auch Preispate Friedrich Küppersbusch bei der Übergabe der Trophäe in der Kategorie Information bemerkte "an ein kleines Startup aus der Kölner Innenstadt" mit "trendigem Retro-Namen".
Gerade in politischen Zeiten wie diesen ist das Thema Einkommen ganz oben auf der Medienagenda. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage "Was heißt schon arm?" Eben diese Frage stellt eine Webreportage von "Spiegel Online", deren Autoren Florian Diekmann und Britta Kollenbroich unserem Verständnis von Armut auf den Grund gehen. Der Preisträger in der Kategorie Wissen und Bildung öffne dabei neue Facetten des Armutproblems, so die Jury. Die klassische Gestaltung mache sie unter den Preisträgern aber fast schon zum Ausreißer. Doch gerade hier zeige sich, dass "es nicht immer ausgefallener Formen bedarf, um ein Thema wirkungsvoll zu vermitteln."
Wirkungsvoll vermittelt auch die "Resi-App" ihre Inhalte: Nachrichten in Form eines Chats. Das Angebot wurde von der Jury nachnominiert und nun in der Kategorie Spezial ausgezeichnet. "Mit 'Conversational Journalism' schafft der redaktionell gepflegte Chatbot einen spannenden Zugang zu tages-, sogar minutenaktuellen Nachrichten für junge und jung gebliebene Nutzer auf dem Smartphone", ist im Jurystatement nachzulesen. Sehr jung ist auch einer der beiden "Wochenendrebellen": Bei dem in der Kategorie Kultur und Unterhaltung ausgezeichneten Vater-und-Sohn-Blog geht es um Groundhopping beim Fußball und oft auch um Wissenschaft. Gerade im dazugehörigen Podcast, dreht es sich aber eigentlich um etwas ganz anderes: er nimmt die Hörer mit in die Gedankenwelt eines Jungen mit Asperger-Syndrom und "stellt gesellschaftliche Normen und Vorurteile auf sehr befreiende Art auf den Kopf", so die Jury.
Das leistet auch Laura Schwengber, die portraitiert wird in der Webreportage des Hessischen Rundfunks "Die mit den Händen tanzt", ausgezeichnet in der Kategorie Wissen und Bildung. Diese Reportage über das Dolmetschen von Musik in Gebärden vermittele Inklusion als einen wechselseitigen Prozess. Bei aller Verspieltheit zeichne sich das interaktive Angebot dabei durch eine Gestaltung aus, die es erlaube, "sich ganz auf das vermittelte Thema zu konzentrieren", so die Jury. Besonderes Plus: In seiner Kombination von Gebärdensprache, Ton und Untertitelung ist das Angebot "zugänglich für alle", Sujet und Aufbereitung korrespondieren. Zugänglich für alle ist sicher auch der Kölner Dom - aber eben nicht überall. Oder wie die Jury schreibt: "Es gibt Ecken im Kölner Dom, die konnte nur der liebe Gott sehen. Bis jetzt." In einem Angebot des WDR lässt der Dom sich jetzt auf ganz neuartige Weise erleben: in 360° und Virtual Reality und von der Website bis zum High-Tech-Endgerät auf verschiedensten Plattformen. "Die multiperspektivische Zugänglichkeit des Weltkulturerbes Kölner Dom zieht in den Bann. Immersion der Extraklasse! Mehr davon!", zeigt sich die Jury begeistert. Das ist auch der Preispate für die Kategorie Kultur und Unterhaltung: Schauspieler Oliver Wnuk.
Wnuk bekannte bei einem weiteren Preisträger dieser Kategorie auch ein bisschen neidisch zu sein: Die "Datteltäter" seien sehr komisch, authentisch, anarchisch und gewiss auch sehr mutig. Alles Attribute, die teuer produzierte Sketch-Comedy-Shows im deutschen Fernsehen, in der heutigen Zeit zum allergrößten Teil vermissen ließen. Dennoch gratulierte Preispate Wnuk den Machern des YouTube-Kanals von Herzen. Der nehme - mit viel Humor - die Unterschiede zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen aufs Korn. Doch nicht nur Preispate und Jury sind von dem Angebot überzeugt. Der inzwischen von Funk übernommene Kanal "Datteltäter" konnte am Abend zusätzlich den Publikumspreis ergattern, überreicht durch die Preispatin und Radiomoderatorin Larissa Rieß.
Den Publikumspreis hätte durchaus auch #ichbinhier erhalten können. Hat doch immerhin die geschlossene Facebook-Gruppe von der die Aktion für eine bessere Debattenkultur in sozialen Netzwerken ausging, schon über 35.000 Mitglieder. Sie verwenden den Hashtag #ichbinhier dort, wo die Diskussion abzugleiten droht und steuern gezielt mit sachlichen und positiven Kommentaren gegen. "So erleben wir eine digitale Selbstermächtigung der Zivilgesellschaft, die mit der Macht der Masse gezielt aus dem Ruder gelaufene Diskussionen übernimmt und in einen geordneten Diskurs überführt", so die Jury und vergibt einen Preis in der Kategorie Spezial. Der wurde überreicht durch Autorin Ronja von Rönne, die selbst oft genug erlebt hat, wie es ist, im Netz angegriffen zu werden.
Auf Pinar Atalay trifft das ebenfalls zu, die einem größeren Publikum als Moderatorin der ARD Tagesthemen bekannt ist und an diesem Abend als Preispatin den "klicksafe Preis für Sicherheit im Internet" überreichte. Gewonnen hat den das Kindermedienmagazin "Timster" vom KiKA, das sich auch mit Themen wie Datenschutz und "Fake News" beschäftigt und das ergänzt wird vom Webtalk für Erwachsene (KiKA). Einen Anerkennungspreis erhielt "Junait - das Medienkompetenzspiel" von planpolitik.
Der Abend wäre nicht möglich gewesen ohne die Förderer und Partner des 17. Grimme Online Award. Für die finanzielle Basis des Preises sorgte die Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen, ein weiterer Beitrag kam von der Stadt Köln. Die Kölner Filmunit der Kommunikationsagentur wildcard communications steuerte die Produktion der Einspielfilme bei. Das Düsseldorfer Studio für Gestaltung, Pre-Press und Digitale Medien, Digibox, langjähriger Partner des Grimme Online Award, gestaltete erneut die Preispublikation. Die Daimler AG sorgte mit Mercedes-Benz Limousinen für den komfortablen VIP-Fahrservice für die Preisverleihung. Die Gäste der Preisverleihung konnten die nominierten 360°- und VR-Angebote auf speziellen VR-Brillen ausprobieren, welche Samsung mit entsprechenden Smartphones zur Verfügung gestellt hat.
Mit dem Blog "quergewebt", wo es auch Interviews mit allen Nominierten gibt, auf Facebook und Twitter begleitete das Grimme-Institut das Wettbewerbsverfahren. Der Hashtag lautet #GOA17.